
„Vergessene Orte“ aufzusuchen liegt wieder im Trend. Ein geschichtsträchtiger Flecken ist dabei zweifelsfrei das Hydrierwerk Pölitz, unweit der Stadt Pölitz / Police, die 1939 von Groß Stettin eingemeindet wurde und etwa 15 km nördlich von Stettin liegt. Sie entwickelte sich schon damals zu einem wichtigen Standort für die chemische Industrie und galt als geeigneter Standort für ein Hydrierwerk.

Hatte man hier zunächst geplant, Crackrückstände und Steinkohle zu Treibstoff – oder besser: zu synthetischem Benzin – zu verarbeiten, so war im Kriegsfall und bei fehlender Rohprodukteinfuhr vorgesehen, die Produktion auf Steinkohle und Teer umzustellen. Mit Zustimmung der Reichsbehörden sollte das Projekt mit Royal Dutch Shell und der Standart Oil umgesetzt werden. Allerdings wollte man in diesem Falle den internationalen Mineralölgesellschaften die Finanzierung des Projektes vorschlagen, während die I.G. Farben die Patente und Erfahrungen bereitstellen sollte.

Ende der 20er Jahre war es gelungen das Synthetische Benzin – später auch „Deutsches Benzin“ genannt – aus Kohle herzustellen. Der so gewonnene Ottokraftstoff wurde zunächst nur in Leuna hergestellt und über die Deutsche Gasoline Aktiengesellschaft vertrieben. Zwar war das dazu angestrengte Verfahren der Herstellung aufwendig und damit teurer als herkömmliches Benzin, doch wurde dieser Kraftstoff mit 18,5 Pfennig pro Liter gemäß dem sogenannten „Benzinvertrag“ („Feder-Bosch-Abkommen“) vom 14. Dezember 1933 subventioniert.

Doch zurück zu den Hydrierwerken Pölitz: Hier brachten die Eigner der Hydrierwerke letztlich 270 Mio. Reichsmark zur Finanzierung des Vorhabens auf. Die Produktion begann im Jahre 1940. Bereits 1943 konnten 577.000 Tonnen synthetischer Kraftstoff hergestellt werden. Es war – wie die Tageszeitung „Neue Zeit“ 1948 rückblickend feststellte -„das größte Unternehmen dieser Art in Europa“. Die Demontage der intakten Anlagen des Werksgelände, welches trotz mehrfacher Bombardierung bis 1945 in Betrieb gewesen sein soll, erfolgte bis ins zweite Halbjahr 1946. Die Überreste eroberte sich dann die Natur in den vergangenen Jahrzehnten zurück.

Doch wie gelangt man auf das Gelände der Hydrierwerke? Nachdem man die Stadt Pölitz in östliche Richtung, der Hauptstraße folgend, durchquert hat, erreicht man bereits kurz darauf sein Ziel. Bis heute erscheint das Areal, welches ursprünglich 1.500 ha umfasst haben soll, sehr weitläufig. Erkennbar ist es schon im Vorfeld durch eine Industriebrache – mehrere Ruinen und Bunker, die hier unmittelbar an der Straßenzufahrt vorzufinden sind. Etwas weiter in Richtung Oder geht es über eine abzweigende Nebenstraße mit Wendehammer. Von hier führt nun ein Weg durch das Gelände.

Wer ihm folgt, dem zeigen sich schon bald Reste von Kanälen, Behältern und ähnlichen Bauten aus Stahlbeton. Die zum Teil versteckt liegenden Bauteile der Hydrierwerke sind wohl die letzten noch sichtbaren Zeitzeugnisse: Deutlich erkennbar ist u.a. der ehemalige Bahnhof mit seiner Rampe, ein Wachturm sowie Reste von Schutzanlagen, die Kohlemühle, Behälterbauten, der Kompressorraum und mehrere Luftschutzbunker.

In den letzten Jahren hat sich ein Verein namens „Skarb“ um die Freihaltung der Wege, die historische Aufarbeitung vor Ort mit dem Aufbau eines Museums und kostenfreien Führungen bemüht.

Das Gelände selbst ist übrigens als Natura-2000-Gebiet ausgewiesen. Es gilt mit seinen Ruinen und Kanälen als größtes Winterlager von Fledermäusen in Hinterpommern –verschiedene Gattungen wie beispielsweise Abendsegler oder Breitflügelfledermäuse finden hier ihre Zuflucht. Die Anzahl der überwinternden Säugetiere wird auf etwa 13.000 geschätzt. Im sich anschließenden Frühjahr finden sie Nahrung an dem Fluß Larpe.




Hinterlasse einen Kommentar